Lasst den Wald in Ruhe! Oder?

Waldstories

Der Wald ist auch nicht mehr das, was er mal war

Es scheint zwei verschiedene Lager zu geben: Die einen pochen darauf, dass der Wald sich selbst regenerieren kann. Der Mensch solle sich am besten „raushalten“. Andere sagen, den Wald allein zu lassen in der Not, ist falsch, der Wald braucht unsere Hilfe. Doch die Antwort liegt wie immer irgendwo in der Mitte. So einfach, wie es manche Populärautor:innen und selbst ernannte Waldversteher:innen beschreiben, ist die Situation nicht. Vor allem, wenn man alle Leistungen des Waldes in den Blick nimmt. Die These „Der Wald weiß sich selbst zu helfen“ gilt weitestgehend nur für die Wälder der Vergangenheit.

Es war einmal ...

Um die heutige Situation zu verstehen, hilft ein kurzer Blick zurück. Als der Holzverbrauch stark anstieg, wurden viele natürliche Wälder abgeholzt. Im 19. Jahrhundert wuchs die Erkenntnis: Fehlen die Wälder, fehlen Hölzer für die Wirtschaft. Die damalige Lösung: Die Menschen pflanzten massig Fichten und Kiefern. Die wuchsen schnell und gerade. Das Problem heute: Gerade in Reinbeständen sind Fichten und Kiefern extrem anfällig für Folgen des Klimawandels. Stürme lassen sie kippen wie Dominosteine. Dürren und Schädlingsbefall machen ihnen den Garaus. Sie sind damit am Ende. Das heißt auch: Überlässt man die toten Fichten sich selbst, wachsen neue Fichten-Monokulturen. Und das kann keiner wollen. Aus diesem Grund arbeiten wir seit 40 Jahren daran, alte Monokulturen zu vitalen Mischwäldern zu entwickeln.
In einem Fichtenwald wächst ohne unsere Unterstützung wieder ein Fichtenwald(Foto: Stefan Befeld, Wald und Holz NRW)
In einem Fichtenwald wächst ohne unsere Unterstützung wieder ein Fichtenwald.

Jahrhunderte warten oder jetzt starten?

Okay, das erklärt das Problem reiner Nadelwälder. Was ist aber mit Mischwäldern, die Schäden durch ihre natürliche Erneuerung eigentlich gut ausgleichen könnten? Kann man nicht wenigstens diese sich selbst überlassen? Auch bei der Antwort auf diese Fragen gehen die Meinungen auseinander. Klar ist aber: Unser heutiger Wald sieht sich ganz anderen Herausforderung gegenüber als noch vor 100 Jahren. Aufgrund des Klimawandels muss er sich schnell an neue Bedingungen anpassen. Deshalb ist in vielen Fällen leider die Zeit nicht gegeben, die ein Wald bräuchte, um sich selbst zu regenerieren.
Heißt: Allein auf die natürlichen Anpassungsprozesse unserer Wälder zu setzen, würde mehrere Jahrhunderte dauern. Die Zeit haben wir nicht. Aus diesem Grund unterstützen wir und unsere Förster:innen den Wald aktiv dabei, sich zu erneuern. Dazu gehört ein kontinuierliches und strategisches Waldmanagement, damit ein widerstandsfähiger Wald der Zukunft entstehen kann. Was das für die Zusammensetzung des Waldes genau bedeutet, könnt ihr auch hier nachlesen.

Umbau statt Abbau

Aber was macht man mit den ganzen Monokulturen, die es schon gibt? Auch in diesem Fall ist „Vielfalt“ die Antwort. Um die Monokulturen in widerstandsfähige Mischwälder zu verwandeln, bedarf es der Hilfe von Expert:innen. Wir sorgen mit gezielten Pflanzungen dafür, dass die Wälder der Zukunft aus mehreren Baumarten bestehen. Ein Mischwald mit standortangepassten Baumarten ist resistenter gegen die Folgen des Klimawandels aufgestellt. Ein Beispiel: Eiche und Kiefer sind Baumarten, die besser an Wärme und Trockenheit angepasst sind – und deshalb mit den Folgen des Klimawandels besser klarkommen. Allerdings verdrängt unter anderem die Buche diese sogenannten Lichtbaumarten. Deshalb fördern wir licht- und wärmeliebenden Baumarten gezielt, damit sie im Wald bestehen können. Wir stellen damit sicher, dass unser Wald all seine Funktionen erfüllen kann – von der Bereitstellung des nachhaltigen Rohstoffes Holz über seine Lebensraumfunktion für Tiere und Pflanzen bis hin zu seiner sozialen Funktion für uns Menschen.

Warum werden Bäume gefällt?

Manchmal wird uns der Vorwurf gemacht, dass wir nur aus wirtschaftlichem Interesse in das Waldgefüge eingreifen und damit Schaden anrichten. Und ja, es stimmt, wir Menschen brauchen Holz – z. B. für Möbel und Gebäude. Aber auch hier steht für uns der nachhaltige Aspekt im Vordergrund. Denn solch langlebige Holzprodukte speichern den Kohlenstoff langfristig und sorgen für weniger CO2 in der Luft. Und auch als Ersatz für Baustoffe wie Beton und Stahl ist Holz die umweltfreundlichere Variante. Denn Beton und Stahl sind sehr energieintensiv. Ihre Herstellung ist mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Durch die Nutzung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft in der Bauindustrie können wir den CO2-Fußabdruck von Neubauten deutlich reduzieren und gleichzeitig die Bindung des Kohlenstoffs durch unsere Wälder maximieren. Wir bewirtschaften unsere Wälder naturnah und nachhaltig. Das heißt, dass wir möglichst nur einzelne Bäume oder kleine Gruppen entnehmen. Weitere Antworten auf die Frage, warum wir unsere Wälder nachhaltig bewirtschaften, findet ihr auch hier.

Warum vor allem die Fällung älterer Bäume sinnvoll sein kann, erklärt Dr. Stefanie Wieland vom Zentrum für Wald und Holzwirtschaft

„Wälder sind natürliche Kohlenstoff-Speicher, besonders produktiv in ihren 'jungen Jahren' zwischen 20 und 80. Ältere Bäume haben zwar viel CO2 aufgesogen, nehmen aber relativ wenig neues auf. Deshalb ist es für das Klima sinnvoller, alte Bäume in hochwertigen Produkten weiterzuverarbeiten, dem Nachwuchs Platz zu machen und gleichzeitig eine Vielfalt zu fördern.“

Dr. Stefanie Wieland, Zentrum für Wald und Holzwirtschaft

Und es gibt sie doch

In Naturwaldzellen, Wildnis-Entwicklungsgebieten und dem Nationalpark Eifel steht der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt im Fokus. Sie werden nicht bewirtschaftet und der Wald kann sich ungestört entfalten. Das heißt auch: Alte und tote Bäume verbleiben im Wald und bieten hochspezialisierten und vom Aussterben bedrohten Arten ein wertvolles Zuhause. Hinzu kommt, dass wir Naturwälder einfach brauchen, um ein besseres Verständnis der Waldökosysteme, deren Strukturen und natürlichen Abläufen zu bekommen.
Im Landeswald setzen wir mit unserer Biotopholzstrategie „Xylobius“ fort, was mit den Naturwaldzellen in NRW seinen Anfang nahm. Einzelbäume, Baumgruppen, Totholzgruppen, aber auch Biotopholzinseln werden von unseren Förster:innen identifiziert, markiert und digital erfasst. Man könnte sagen, sie werden handverlesen und ausgewählt. So bieten wir besonders wertvolle Trittsteine für die Vernetzung von wertvollen Biotopen bei relativ wenig Flächenbedarf.
Das zeigt: Die Bewirtschaftung der Wälder und der Waldnaturschutz müssen sich nicht entgehen stehen. Im Gegenteil: Die Nutzung kann die biologische Vielfalt sogar fördern. Deshalb tun wir alles dafür, neben der wirtschaftlichen Nutzung dieses Holzes einen optimalen Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu gewährleisten. Übrigens: Die Bundesregierung gibt vor, dass 10 Prozent der öffentlichen Wälder aus der Bewirtschaftung genommen werden. Mit knapp 13 Prozent haben wir dieses Ziel sogar schon übertroffen.
Naturwaldzellen, wie diese im Wolbecker Tiergarten, werden nicht bewirtschaftet. Forscher:innen untersuchen dort, was passiert, wenn der Mensch nicht eingreift.(Foto: Moritz Münch, Wald und Holz NRW)
Naturwaldzellen, wie diese im Wolbecker Tiergarten, werden nicht bewirtschaftet. Forscher:innen untersuchen dort, was passiert, wenn der Mensch nicht eingreift.

Quickread

Die Idee, Wälder sich selbst zu überlassen, scheint manchen verlockend, wäre aber mit enormen Negativ-Folgen verbunden. Deshalb ist eine genaue Einteilung und Steuerung durch unsere Forstexpert:innen wichtig. Diese können genau beurteilen, welcher Wald bzw. welche Waldteile bewirtschaftet, gezielt unterstützt oder sich selbst überlassen werden sollten. Nur so können wir die Gesundheit und Vielfalt unserer Wälder sichern, sie an die Herausforderungen des Klimawandels anpassen und für die Holzgewinnung, Erholung und Artenschutz nutzen. Am Ende entsteht eine gute Mischung aus den Bedürfnissen von Menschen und Natur – und ein gestärktes Fundament beim Kampf gegen den Klimawandel.
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